Notwendige Erinnerung – Auf den Schlachtfeldern vor Verdun

Mein Sohn ist im Teenager-Alter. Es war mir wichtig, ihm nicht nur die schönen Seiten des Lebens zu zeigen und nahe zu bringen. Sondern ihn auch damit zu konfrontieren, was Menschen anderen Menschen antun können. In der Hoffnung, dass so etwas wie vor Verdun im 1. Weltkrieg, diese 300 Tage Hölle, nie wieder passiert. Nicht in Europa, nicht in Amerika oder in Afrika oder sonstwo anders.

Und so fuhren wir einen Tag von Metz aus rüber nach Verdun. Mit dem Auto dauerte es knapp eine Stunde. Wir sparten uns die langweilige Autobahn und genossen die Fahrt auf den wunderschönen Landstraßen Frankreichs.

Das Beinhaus von Douaumant

Die Schlachtfelder vor Verdun & Fort Douaumant / August 2018

Erster Anlaufpunkt war das ohne Zweifel beeindruckende Beinhaus von Douaumant. Bereits in den 30er Jahren fertig gestellt, beeindruckte mich nicht nur die Architektur an sich, sondern vor allem auch der Aspekt, dass dort kein Unterschied gemacht wurde, aus welchem Land die Toten stammten, die auf den Schlachtfeldern gestorben sind. Eine spürbare Trennung von Franzosen und Deutschen gab es nicht. Tote waren Tote. Irrsinn war Irrsinn. Leid ist Leid. Egal welche Sprache der Soldat sprach.

Uns wurde dort im Beinhaus von Douaumant bewusst, was für eine gewaltige Leistung es ist, dass Franzosen und Deutsche heute friedlich, ja meist sogar freundschaftlich miteinander umgehen. Ich habe mit Frankreich mitgejubelt bei der Fußball-WM. Ich liebe französischen Käse, fahre gern Ski in den französischen Alpen. Danke, dass das möglich ist nach den Greueln im 1. und auch im 2. Weltkrieg und ich mich immer willkommen fühlte in Frankreich.

Im Fort Douaumant

Nach dem Beinhaus war unsere Stimmung verständlicherweise stark gedrückt. Aber dieser Ort hat uns berührt. Man konnte förmlich sehen, wie wir alle Drei am Nachdenken und Grübeln waren. Dann ging es rüher zum Fort Douaumant, wo wir die Audioführung machten. Waren es 90 Minuten oder gar zwei Stunden, die wir dort unten im Berg verbrachten? Die Zeit löste sich auf. Ich ging nur immer weiter. Nachdenklich, traurig, aber zugleich auch neugierig. Ich finde es wichtig, dass man das sieht und hört und spürt.

Die Schlachtfelder vor Verdun & Fort Douaumant / August 2018Tausende Soldaten, Deutsche wie Franzosen, starben bei den zahlreichen Kämpfen um dieses Fort. Viele starben auch im Fort selbst, beim Einschlag von Granaten oder bei Explosionen von Munition. So viel Leid, so viel Tod.

Und man fragt sich zwangsläufig: Wofür? Jetzt, mehr als 100 Jahre später, hoffe ich, dass klar ist wofür. Damit so etwas nie wieder passiert! Damit Menschlichkeit und Solidarität die Oberhand behalten. Auch in diesen eigenartigen Zeiten in Europa. Dass ein solcher Irrsinn nie wieder passiert. Menschen sind Menschen, egal woher sie kommen, welche Sprache sie sprechen, an welchen Gott sie glauben oder welche Farbe ihre Haut hat.

Pause vom Schlachtfeld – Mittag im Village Gaulois in Marre

Nach dem Fort hatten wir keine Kraft mehr und wollten runter vom Schlachtfeld. An unserem Auto steckte der Flyer eines Restaurants, das vielversprechend klang. Das „Village Gaulois“ in Marre ist nur 20 Minuten vom Beinhaus entfernt. Als wir dort ankamen, hatte ich das Gefühl, das Auenland aus dem Herrn der Ringe zu betreten. Hinter dem Hotel liegen ein paar wunderschöne, runde Steinhäuser – das Restaurant. Daneben befindet sich ein lustiger, selbstgebauter Minigold-Platz, der wohl länger schon nicht mehr benutzt wurde. Schade.

LE VILLAGE GAULOIS in Marre bei Verdun

Auf der großen Wiese dahinter war Platz für zahlreiche Caravan, inklusive Stromanschluss. Das alles machte einen großartigen Eindruck.

Würde das Essen mithalten können mit dem traumhaften Ambiente?

Mittagessen im LE VILLAGE GAULOIS in Marre bei VerdunEs konnte! Was für ein Genuss. Meine Gänsekeule war vom Feinsten. So zart, so schmackhaft. Dazu selbstgemachter Kartoffelbrei, wie ich ihn in dieser Zusammensetzung noch nie zuvor gegessen habe. Lecker. Dann Puffer, Gemüse und noch einiges mehr. Eine wunderbare Komposition, die meinem Gaumen einfach nur gut getan hat und Balsam für die Seele war. Das war einfach notwendig, um den Rest des Tages nicht ausschließlich mit Tränen in den Augen zu verbringen.

Als Nachtisch bestellte ich dann noch ein Mirabellen-Eis. Und auch das – ein Traum! Ich habe selten so gut gegessen wie im „Village Gaulois“! Ein großes Dankeschön an den exzellenten Koch und die Inhaber. Ich würde sehr gern wiederkommen. Wenn es nur nicht so weit weg wäre.

Zurück aufs Schlachtfeld

Danach fühlten wir uns gestärkt und soweit mit Positivem aufgetankt, dass wir es noch einmal zurück aufs Schlachtfeld wagten. Wir schauten uns die kaum sichtbaren Überreste eines der ehemaligen Dörfer an, die dort einmal waren. Aus Pietätsgründen wurden diese Dörfer nicht wieder aufgebaut, behielten aber ihren Namen und haben wohl sogar alle einen Bürgermeister. Um sie nicht der Vergessenheit preiszugeben. Eine schöne Geste.

Die Schlachtfelder vor Verdun & Fort Douaumant / August 2018Überall in den Wäldern sieht man die Überreste von Schützengräben und Granateinschlägen. Und überall in den Wäldern sollen unter der Erde noch tausende Tote begraben liegen. Die Natur erobert sich das Schlachtfeld zurück. Aber es bleibt dennoch eine bedrückende, traurige Atmosphäre.

Mein Sohn hat das alles sehr reflektiert wahrgenommen. Er war nie gelangweilt oder genervt. Im Gegenteil. Er hat begriffen, wie wichtig mir dieser Tag war. Und wie wichtig es für jeden Menschen sein sollte, zu erfassen, was vor Verdun (oder auch auf vielen anderen Schlachtfeldern weltweit) geschehen ist. Und dass wir uns alle dagegen wehren müssen, dass solche Greuel wieder möglich weder. Nie wieder! Bitte nie wieder.

Die Schlachtfelder vor Verdun & Fort Douaumant / August 2018Auf dieser Gedenktafel, die am Fort Douaumant angebracht ist, steht:

In der Festung ruhen 679 Deutsche Soldaten, die durch Explosion eines Munitionslagers in der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1916 ums Leben kamen.

 


Die Galerie mit einigen wenigen Bildern vom Beinhaus und vom Fort Douaumant: